Eines vorweg, um dem logisch verkehrten Umkehrschluss vorzubeugen: Ich möchte mit diesem Artikel nicht sagen, dass es keine Entspannung im Taijiquan gibt oder man diese durch das Training nicht erfahren kann. Nur liegen die Dinge hier alle etwas anders … Zur weiteren Verdeutlichung wird es die nächsten Tage noch ein Video mit auch optischer Illustration zu diesem Thema geben.

Tàijíquán 太极拳 (andere Schreibweise: Tai Chi Quan, kurz Tai Chi), ist für etwas weltbekannt geworden, dass aus Sicht unserer Schule “Chen Taijiquan Practical Method” komplett illusorisch ist: lockere, fließende, weiche und entspannte Bewegungen. Die daraus resultierenden Vorstellungen über die Funktionsweise und die Natur dieser Kunst sind meistens ziemlich verkehrt. Die Folge davon ist, dass allgemein viel zu schlaff trainiert wird, und als direkte Folge davon verliert das Training seinen Inhalt. Die Entwicklung von echten Fähigkeiten wird lange auf sich warten lassen oder passiert unter Umständen gar nicht. So hat es Taijiquan in Kampfkunstkreisen im allgemeinen sehr schwer, wirklich ernst genommen zu werden. Aus verständlichem Grund …

 

Über den illusorischen Charakter der Erscheinung

Um Missverständnissen vorzubeugen: ich habe hier nicht geschrieben, dass es im Taijiquan keine Entspannung gibt. Da ist Entspannung und loslassen, auf einer ziemlich tiefen Ebene sogar, doch dies erschließt sich erst im laufe des Trainingsprozesses und ist gänzlich verschieden von dem, was man sich zunächst darunter vorstellt.

Unser Taijiquan, Chen Stil Taijiquan Practical Method, folgt in der Trainingsmethode den daoistischen Gesetzmäßigkeiten von yīn 阴 und yáng 阳 derart, dass wir unter anderem hart und weich, rund und gerade etc. in jeder Bewegung gleichzeitig sein müssen.

Dieses Training ist sehr speziell, es gibt nichts, mit dem man es wirklich gut vergleichen kann. Genau genommen ist es sehr schwierig, selbst die verschiedene Stile innerhalb des Taijiquan miteinander zu vergleichen, obwohl sie letztlich alle demselben Wissen entspringen.
Taijiquan, ist die physische Umsetzung daoistischer Prinzipien. Vieles ist für unseren gewöhnlichen Verstand sehr widersprüchlich, was auch nicht anders sein kann, da wir als Menschen in unserer dualen Welt in aller Regel nicht “eins sind mit dem Dao”, dem großen Einem, dem Non-Dualem.

Auf der technischer Ebene des Training – speziell unserer Schule – wird hier jedoch einiges klar:

 

Yīn 阴 und Yáng 阳 als Werkzeug zur Transformation

Artikel- Taijiquan (Tai Chi Quan) ist keine Entspannungsübung 2Jeder kennt diese beiden Begriffe und die dazugehörigen, ewigen Listen von beispielhaften Gegensätzlichkeiten, doch gibt es hier im Kern ein weit verbreitetes Missverständnis. Yin und Yang sind gegensätzliche Aspekte von ein und derselben Sache, zeitlich nicht getrennt, sondern gleichzeitig vorhanden, so wie die Schatten- und die Sonnenseite eines Berges, um bei dem klassischsten aller Bilder zu bleiben. Der weit verbreitete Irrtum ist, dass zuerst das eine und dann das andere kommt, in der Kampfkunst Taijiquan z.B. mal weich und mal hart sein zu können. Wir wollen jedoch einen transformierten, neuen Zustand schaffen, in dem beides gleichzeitig vorhanden ist!

Hierfür muss der Körper unter anderem lernen, benachbarte Körperteile voneinander unabhängig bewegen zu können (siehe auch “doppelte Schwere”). So entsteht eine Streckung im Körper, die man nicht mit Dehnungen wie etwa im Yoga verwechseln sollte. Daraufhin kann der Körper sich öffnen und Rotationen kreieren.

Die oben erwähnte Streckung ist für uns der praktische Schlüssel für eine erfolgreiche Arbeit an der Basis. So trainiert, erfährt der Körper im Laufe der Zeit eine echte Transformation. Er wird sehr kräftig, aber nicht mittels der normalen Methode von Muskeltraining! Dies ist der automatischen, instinktiven Reaktion geradezu entgegengesetzt und deshalb sprechen wir in unserer Schule auch nicht von “natürlichen” Bewegungen. Die gängigen Assoziationen wären komplett falsch. Denn wir trainieren hier eine Bewegungsart, die unserer gewöhnlichen geradezu entgegengesetzt ist. Was jetzt hier aus daoistischer Sicht der wahren Natur entspricht, das ist wieder ein ganz neues Thema für sich. In der alltäglichen Übungspraxis ist für uns jedoch wichtig, dass wir Gewohnheiten ins Gegenteil verkehren möchten und das Wort “Natürlichkeit” deshalb sehr stark in die Irre führen würde.

Die beschriebene Methode ist hervorragend geeignet, um nachhaltig verschleißfrei zu trainieren und alle möglichen Heilungsprozesse zu unterstützen. Doch es ist alles andere als ein “Entspannungstraining”. Dieses Training übertrifft die Wirkung von reiner Entspannung in der Gesundheitswirkung bei weitem, erfordert aber die Bereitschaft, sich voll und ganz auf etwas komplett Neues und Unbekanntes einzulassen (siehe auch Artikel “Raus aus der Komfortzone”).

Wer ernsthaft Veränderung im grundsätzlichem Sinne möchte und bereit ist sich, sich dafür auf eine spezielle Arbeit an und mit sich selbst einzulassen, kann von unserer Methode außerordentlich profitieren.

 

Es gibt auch ein Video zu diesem Thema  … hier.

Unser Taijiquan (Tai Chi Quan) ist keine Entspannungsübung!
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