Artikel-Ganzheitlichkeit

Ganzheitlichkeit hat stets das große Ganze im Sinn und betrachtet Einzelnes immer als Teil von etwas Größerem. Unser normales Bewusstsein im Alltag entspricht dem im Allgemeinen jedoch nicht.  Grundlegende Veränderungen im Denken, welche für ganzheitliches Leben und Arbeiten nötig wären, sehe ich nur sehr selten, und ich denke, dass es gerade solche Veränderungen sind, welche ganzheitlicher Arbeit ihre Bedeutung geben und diese somit von unschätzbarem Nutzen für unser menschliches Leben werden können.

 

3 Punkte für ein besseres Verständnis

Im Falle von ganzheitlicher Gesundheitsarbeit z.B. reicht es nicht aus nur zu sehen, dass alle unsere Körperteile in Verbindung zueinander stehen. Um ganzheitlich Denken zu können sollten wir uns die folgenden drei Punkte klar machen:

1. Wir als menschliches Wesen haben weit mehr als nur physische Bedürfnisse.
2. Wir sind Teil von etwas viel größerem Ganzen. Wir können dieses Ganze der Einfachheit halber “Natur” nennen.
3. Wir müssen akzeptieren, dass wir dieses große Ganze mit unserem Verstand oder Intellekt nie vollständig erfassen können werden.

Gemäß der alten Lehren, wie z.B. der Daoistischen, geht es in unserem Leben darum, den eigenen Platz in diesem großen Ganzen zu finden und seiner Bestimmung zu folgen. Gesundheit (und die Definition hiervon kann man auch immer wieder neu überdenken) ist ein Nebeneffekt, wenn alles in seiner natürlichen Ordnung ist. Mit dem Intellekt (alleine) ist es nicht möglich, dies zu erreichen. Hierfür ist vor allem loslassen können und Hingabe notwendig. Wir müssen uns an dieser Stelle auch klar werden, dass unsere komplette Wahrnehmung durch verschiedene Filter läuft und maßgeblich von herrschenden Paradigmen und Werbung bestimmt ist. Und es ist wichtig, dies wirklich zu erleben und nicht nur intellektuell zu verstehen.

 

Wir leben in einer Illusion

Nicht nur der Sience Fiction Film “Matrix” hat uns das gelehrt, wir finden diese Aussage in allen alten Weisheitslehren, wie etwa dem Buddhismus oder dem Daoismus. Die Vertreibung aus dem Paradies könnte man auch entsprechend deuten.
Wenn wir über unsere subjektive Wahrnehmung und über die Unmöglichkeit, alles sehen zu können, sprechen, dann wird diese Wahrheit immer wieder gerne intellektuell abgenickt, doch wenn es im Hier und Jetzt darauf ankommt, dann verdrängen und vergessen wir gerne sehr viel.

Auch ist es sehr schwer, wirklich zu erkennen, also authentisch zu erleben, dass wir ständig alles interpretieren. Dies ist schon fast unmöglich, weil wir hierfür quasi aus uns selbst heraustreten und uns von außen selbst anschauen müssten. Aber es gibt Möglichkeiten der Praxis, um immer wieder einzelne Beispiele oder Aspekte hiervon zu erleben.

 

Wisse, dass Du nichts weißt

Eins vorweg: wir definieren Wissen und wahres verstehen hier nicht als ein rein intellektuelles Kopf-Wissen oder verstehen, sondern als etwas, was durch konkrete Erfahrung erlebt wurde. Theorien, Konzepte und Meinungen möchte ich nicht als “Wissen” bezeichnen, da sonst dieses Wort kaum noch Bedeutung hätte. Die hierfür nötige Unterscheidungsfähigkeit ist etwas, was wir permanent schulen sollten.

Eine der ursprünglichsten und umfassendsten Methode der Bewusstseinsschulung ist die klassische Meditationspraxis, z.B. aus dem Buddhismus. Hier wird das Gewahrsein für den eigenen Geist geschult, und schon an der Basis lernen wir kennen, was bei der Wahrnehmung für automatische Prozesse blitzschnell ablaufen:

1. Wir geben allem Wahrgenommenen sofort einen Namen.
2. Weiter stellen wir das Wahrgenommene unweigerlich in einen Kontext, der unserer bisher gemachten Erfahrung entspricht.
3. Als nächstes folgen alle möglichen Schlussfolgerungen.

Punkt 1 und 2 verhindern schon, dass wir Dinge wahrnehmen können, so wie sie wirklich sind. Schon ab Punkt 1 findet eine Interpretation statt, und wir sehen die entsprechende Sache somit nicht mehr so wie sie wirklich ist.

Wir können letztlich unmöglich wissen, was und wie viel von dem, was wir gerade denken und wahrnehmen, denn der Realität entspricht. Aber ich denke, dass wir dennoch immer wieder wahre Aussagen treffen können, jedoch nie im absoluten Sinn, sondern lediglich innerhalb von Rahmen, die wir selbst setzten. Ich denke, dass dies auch völlig in Ordnung ist, solange wir uns dessen bewusst sind.

 

Schlussplädoyer

Die Beschäftigung mit ganzheitlichen Methoden kann meiner Meinung nach kaum ohne entsprechende eigene Praxis ablaufen. Wir brauchen eigene, echte Erfahrungen, und ich persönlich denke, dass diese vor allem auch physisch sein sollten, zumindest solange wir noch auf diesem Planeten weilen. In den alten Quellen sowohl aus dem Hinduistischen (Yoga und Ayurveda aus Indien) als auch den Daoistischen Gefilden (Qigong, Taijiquan, Chinesisch Medizin) finden wir immer wieder etwas über die Zusammenhänge vom Himmlischen zum Irdischen, und wie sich geistige Dinge in unserem Körper spiegeln.
Viele Schulen betonen dann sehr stark nur den Geist, weil dieser “über” dem Materiellem steht. Doch mein Meister hat mal gesagt, wir müssen schon eine Stromleitung legen, bevor wir den Lichtschalter betätigen können. Ich denke, dieser Vergleich macht an dieser Stelle vieles deutlich.

Interessanter Weise spricht zur Zeit unter anderem einer der führenden Deutschen Hirnforscher, Gerald Hüther, sehr klar darüber, dass wir um ein vielfaches besser lernen können, indem wir physische Erfahrungen machen, verglichen mit der reinen Kopfaktivität, so wie wir es fast alle (!) von der Schulbank her kennen. Hier scheint ein Paradigmenwechsel anzustehen …

 

Wie immer ist mir jede Diskussion, v.a. auch die Auseinandersetzung von konträren Sichtweisen, hier auf dem Blog stets willkommen.
Also zögere nicht und Hinterlasse einen Kommentar. Den link zur eigenen Webseite gibt es ja immer gratis dazu 😉

Ich möchte also gerade Therapeuten und Ärzten, welche sich für ganzheitliche Methoden wie etwa die alte Chinesische Medizin interessieren bzw. diese vielleicht auch schon praktizieren, wärmstens ans Herz legen, sich auch einen praktischen Übungsweg auszusuchen, welcher entsprechende Möglichkeiten der Erfahrung bietet. Dies kann z.B. Qigong, Taijiquan oder auch ein gutes Yoga System sein. In der Praxis kommt es dann aber auch noch sehr auf die spezielle Schule, den speziellen Lehrer und vor allem das Zusammenspiel von Schüler und Lehrer an. Es lohnt sich auf alle Fälle, sich verschiedene Schulen und Lehrer anzusehen, bevor man sich entscheidet.

Ich wünsche allen gute Inspirationen und viel Glück auf der Suche und dem Weg!

Ganzheitlichkeit

4 Kommentare zu „Ganzheitlichkeit

  • 7. April 2016 um 21:44 Uhr
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    Lieber Michael,
    danke für diesen Artikel. Ich hoffe, dass er den Menschen nützlich sein kann. Die Analogie zum Stromkabel gefällt mir sehr gut. Die Verbindung von Himmel und Erde durch den Leiter Mensch, wie es die Trigramme des I Gings schon deutlich machen. Mach weiter so und verkabel viele Schüler mit der Matrix 🙂

  • 8. April 2016 um 10:52 Uhr
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    Ich hab eine eigene Vorstellung zum Thema Weg oder Pfad. Ich glaube, mann ist auf dem richtigen Weg oder Pfad, wenn man gelernt hat gehen zu lernen ( Transformation des Gangs durch Taiji-Training). Was haltet ihr davon ?
    Den Weg, den man dann geht kann auch schwierig und steinig sein, ja sogar durch die Hölle führen. Aber Hauptsache mann kann aufrecht laufen und wird von Innen getragen …

  • 10. April 2016 um 13:49 Uhr
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    Zum Thema lernen und physische Erfahrungen: Bewegung ist sogar fürs Mathe-Verständnis wichtig. Wenn kleine Kinder nicht rückwärtslaufen können, und davon gibt es anscheinend immer mehr, fällt ihnen später das Subtrahieren schwerer. Denn beim Subtrahieren bewegt man sich auf dem Zahlenstrahl rückwärts – so wie durch einen Raum.

    Das wir alles sofort interpretieren ist ein notwendiger Überlebensmechanismus, der automatisch abläuft. Vor nicht allzu langer Zeit konnte für einen Menschen das Leben davon abhängen, ob er ein Geräusch oder eine Bewegung, z. B. in der Nacht, sofort richtig interpretieren konnte, denn es bestand immer die Gefahr, dass sich ein Raubtier oder Feind in der Nähe befand. Zu langes Nachdenken konnte daher den Tod bedeuten. Dieser nützliche Mechanismus hat, wie alles in dieser Welt, auch eine negative Seite. Mit zunehmenden Alter, so zwischen dem 20. bis 30. Lebensjahr, hat der Mensch eine genügende Anzahl von Erfahrungen und deren Kategorisierung gespeichert, die ihn halbwegs sicher durch Leben gehen lassen. Begegnet er etwas Neuem, wird dies sofort in eine bereits bekannte Kategorie oder Schublade eingeordnet, ohne den Unterschied zum Altbekannten wahrzunehmen, weil er für das unmittelbare Überleben unwichtig ist. Dadurch wird das Leben recht eintönig und für viele beginnt, zwischen dem 40. bis 50. Lebensjahr, die sogenannte Midlife-Crisis. Die entscheidende Frage ist, ob wir etwas in uns haben, dass diesem Mechanismus übergeordnet ist?

  • 14. April 2016 um 15:34 Uhr
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    Schön geschriebener Artikel. Vielen Dank
    Die eigene Praxis ist , wie du es beschrieben hast, denke ich auch das wichtigste. Genau so das wir ERDENmeschen sind und unsere Wurzel auf der Erde sind. Sinnbildlich wie ein Baum, der seine Wurzel tief in die Erde wachsen lässt und somit gut verbunden ist, während er seine Krone in den Himmel Wachsen lässt, dadurch die Verbindung bringt.

    Da dieser Artikel so schön war, stöbere ich mal noch etwas weiter auf deiner Seite rum.

    Herzliche Grüße und Aloha
    Marco

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